Dat Vuong - Václav Židek: Ich möchte auffallen und nicht so langweilig durch das Leben laufen
Rubrika: Publicistika – Rozhovory
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Bei meinem ersten Treffen mit der Künstlerpersönlichkeit Dat Vuong hatte ich das Gefühl ihn schon  lange zu kennen. Sein fester Händedruck und der direkte und aufrichtige Blick seiner Augen konnten einen ahnen lassen, dass es sich um einen gutmütigen und fröhlichen Menschen handelt. Sein ewig lachendes Gesicht und das schelmische Lodern in seine Augen vermitteln seinem Äußeren noch mehr Jugendlichkeit. Er sieht überhaupt nicht so aus, als wäre er schon einundfünfzig Jahre alt. Schon nach einigen Minuten wusste ich, dass ich mich mit diesen Menschen verstehe und dass ich von ihm einiges erfahren werde. Seine unverstellte Bescheidenheit hat mir angedeutet, dass es sich um einen Menschen mit ausgeprägtem Sinn für Ehre und Verantwortung handelt. Der Anfang von Dat Vuong in Deutschland war - wie bei den meisten Emigranten - nicht leicht. Nach seiner Ankunft in West-Deutschland im Jahr 1983 hat er als Hilfsarbeiter am Fließband bei dem Autohersteller Ford angefangen, obwohl er eine abgeschlossene Hochschulbildung hatte. Dort ist er später zum Modellierer aufgestiegen. Nach einigen Jahren hat er mit seinem ersparten Geld eine kleine alte Fabrik in Pulheim (30 km von Köln entfernt) gemietet, deren Interieur er, sein Bruder Chao und Freunde innerhalb eines halben Jahres restauriert haben. Im Fabrikturm hat er sich sein Atelier aufgebaut, im Erdgeschoss entstand ein Restaurant. Dat hat weitere acht Geschwister, von denen vier in Deutschland und drei in Amerika leben. Seine um ein Jahr ältere Schwester Lieu wurde vor sechs Jahren auch Unternehmerin – sie besitzt ein Restaurant im Zentrum von Köln. Beim guten Kaffee, serviert von seiner stets lachenden Praktikantin Katrin habe ich sehr viel Interessantes über sein Atelier "Datattoo" erfahren, welches ich nach Empfehlung meines Sohnes Michael besucht habe. Dat hat mich auch in sein Haus eingeladen, wo ich mit großem Interesse seine Skulpturen und Gemälde besichtigt habe. |
| • Warum hast du Dich entschieden Dein Land zu verlassen? Wurdest Du politisch verfolgt oder hast Du das Land deswegen verlassen weil du Dich mit der kommunistischen Regime nicht identifizieren konntest? Waren vielleicht auch ökonomische Aspekte mitentscheidend? Eigentlich möchte ich mich dazu nicht äußern, denn falls ich irgendwann mal in meine Heimat fahre kann mir das immer noch Probleme machen. • Warum hast du Dich ausgerechnet für Deutschland entschieden? Du konntest Dir doch jedes andere Land auswählen. Es war wohl eher mein Bruder, der sich für Deutschland entschieden hatte. Er kam damals hierher, um zu studieren. Nachdem er uns allen Visa geschickt hatte, damit wir ihn besuchen konnten, kamen wir und blieben, da wir uns mit dem sozialistischen Regime in unserer Heimat nicht mehr abfinden konnten. • Wie wurdest Du damals in Deutschland empfangen? In den 80 eriger Jahren wurden die Ausländer in Deutschland sehr herzlich empfangen. Sie waren auch hilfsbereit und haben uns in jeder Lage geholfen. Das war ein schönes Gefühl was uns etwas Sicherheit gegeben hat. • Der Anfang in Deutschland war sicherlich wie bei jedem anderen, der das kommunistische „Paradies“ illegal verlassen hat, schwierig. Du hast erzählt, dass Du nach der Flucht am Fließband bei Ford gearbeitet hast. Die Sprachbarriere war für Dich anscheinend sehr bedeutend? Anfangs war es ziemlich schwierig, das ist richtig. Man hielt mich für dumm und ich konnte sozusagen die " Drecksarbeiten " für alle erledigen. Ich fühlte mich bei Ford wie auf einem Sklavenschiff mit Trommeln und Peitschen . • Haben Dir damals andere Menschen gezeigt, dass Du ein Flüchtling bist? Ich konnte mich sehr gut integrieren in Deutschland, die Leute in Köln waren sehr offen und herzlich - halt die Rheinländer! • Hast Du nach Deiner Flucht und der Niederlassung in Deutschland Heimweh empfunden? Du hast doch Dein Land mit der Gewissheit verlassen, nie wieder zurückzukommen und Deine Eltern nie wieder zu sehen. Wann hast Du das erste Mal nach Deiner Flucht Dein Geburtsort wieder besucht? Anfangs hatte ich großes Heimweh. Im Aufnahmelager im Oberhausener Sterkrade hatten wir das Gefühl, dass wir in einem Kühlschrank lebten. Meinen Geburtsort besuchte erst wieder nach 12 Jahren. Es war ein komisches Gefühl mein Heimatland wieder zu besuchen. Die Leute und die Sitten waren anderes als in Europa. Fast hatte ich vergessen wie die Vietnamesen dort von Armut umschlossen sind. • Deutschland ist Deine zweite Heimat geworden. Hier hast Du gesicherte Existenz, eine Tochter Melissa (21 einen) und Sohn Leonard (19). Hast Du schon mal darüber nachgedacht für immer in die alte H eimat zurückzukommen oder hast Du Dich entschieden für immer in Deutschland zu bleiben?In den letzten Jahren ist es in Vietnam entspannter geworden, aber es ist immer noch kommunistisch. Ich habe kein Vertrauen in die Verhältnisse dort und bleibe lieber auf Dauer in Deutschland. • Du hast es in 1992 innerhalb eines halben Jahres mit Hilfe Deiner Freunde geschafft den Turm einer alten Fabrik zu einem geschmackvoll eingerichteten Studio Datatto umzuwandeln, eine echte Rarität. Es ist kaum zu glauben was ein Mensch leisten kann, wenn er es unbedingt will. Ich bewundere Dich dafür. Ich hätte gerne eine Antwort auf folgende Frage: Sind alle Menschen in Deinem Land so zielstrebig und fleißig? Du stammst von einem anderen Kontinent ab – deswegen interessiert mich das so. Es gibt viele Leute, die fleißig sind , aber auch viele , die denken: „Kommst Du heute nicht , dann kommst Du eben morgen“. Vom Wesen her würde ich mich nicht als einen richtigen Vietnamesen beschreiben. Ich bin sehr ehrgeizig und zielstrebig. Wenn ich mir was in den Kopf setze dann ziehe ich es durch. • Du bist immer ein fröhlicher Mensch mit ausgeprägtem Sinn für Humor. Diese Eigenschaft hat Dir bestimmt geholfen viele Hürden zu überwinden. Was glaubst Du ist die Ursache dafür, dass Du in Deutschland so schnell erfolgreich geworden und so bekannt bist und dass man Dich auch in Amerika kennt? Ich bin ein lustiger Mensch für mich ist Humor ein Teil meines Lebens. Er gehört einfach zu mir! Ich probiere, aus allem etwas Positives zu ziehen. Vielleicht kommen deswegen alle gerne zu mir? • Kannst Du für unsere Leser die Namen von einigen bekannten Persönlichkeiten nennen, die Dich wegen Tätowierung besucht haben oder besuchen? Sehr gerne kann ich die Frage beantworten. Der prominenteste Kunde war "Pink". Wenn Pink auf Tour in Europa ist ,kommt sie mich ab und zu besuchen und lässt sich dann von mir tätowieren. Aber auch andere Promis aus Deutschland kommen zu mir um sich von mir tätowieren zu lassen wie zum Beispiel Alexander Klaws aus Deutschland sucht den Superstar! • Es gibt nur wenige Menschen, die es schaffen auf der Haut so schöne Bilder zu tätowieren wie Du. Ist deine Arbeitsweise in Vergleich mit den anderen Methoden unterschiedlich und wo liegen die Unterschiede? Viele Kunden kommen zu mir und wollen ein Portrait von ihren Kinder oder anderen Familienmitglieder tätowiert haben ..... und sie erzählen mir, dass sie schon in anderen Tattoo-Studios gewesen sind. Aber keiner der Tätowierer traut sich so ein schwieriges Tattoo zu tätowieren und diese Studios schicken die Leute dann zu mir. Was mir auch schmeichelt!!! • Bitte um Entschuldigung, falls meine nächste Frage Deiner Reklame nicht dienlich ist. Ich bin aber an Deiner ehrlichen Meinung über die Tätowierung interessiert. Es ist bekannt, dass die Tätowierung nach einigen Jahren ganz anders aussieht. Sie ist nicht mehr der Schmuck des Körpers. Im Gegenteil - sie könnte den Körper sogar verunstalten – denn im Laufe der Zeit ändern sich die Farben und die Dimensionen der Tätowierung und die Haut wird auch älter. Natürlich verblassen die Farben nach einiger Zeit. Jedoch mit einer entsprechenden Pflege kann man die Schönheit des Tattoos erhalten......wichtig ist regelmäßiges Cremen und intensive Sonneneinstrahlung zu vermeiden. Damit es nicht so sehr von der Alterung der Haut beeinflusst wird, sollte es möglichst auch an Stellen wie z. B. dem Rücken getragen werden, wo die Faltenbildung nicht so sehr ausgeprägt ist. • Es ist mir aufgefallen dass Du keine Tätowierung hast. Interessant… warum? Ich möchte mich von anderen Tätowierern optisch absetzen. Ich bin anders als die anderen Tätowierer. Wenn ich mit einem Tattoo anfange, kommt das zweite.... dann das dritte und im nu ist der ganze Körper voller Tattoo's . Aber der eigentliche Grund ist… dass ich Schmerzen nicht ertragen kann… nur ein Scherz!!! Erst wenn ich nicht mehr in der Branche arbeite, würde ich mich tätowieren lassen.......z.B. einen Indianer auf den Oberarm. • Wer hat Dich diese Kunst gelehrt; war es schon in Vietnam oder erst hier in Deutschland? Ich bin ein Self - Made-Man… durch viel Zeichnen habe ich meinen Stil verfeinert und das Arbeiten mit der Tätowierungsmaschine kam durch Zufall hinzu. Ich habe einen 5stündigen Kurs gemacht und dann einfach üben…üben… üben! Letztendlich braucht man ein gewisses Verständnis für Proportionen und Kunst, dann läuft das alles wie von selbst. • Deine Künstlerkarriere hast Du mit Tätowierung von Interessenten in einer Garage angefangen. Es erinnert mich an die Anfänge meines ehemaligen Chefs Hans Schirmer, der auch ähnlich angefangen hat – er hat in seiner Garage Statuen gegossen. Im Laufe der Jahre ist aus seiner Firma die zweite seiner Art in Deutschland geworden. Du bist geladen mit Energie für weitere hundert Jahre. Hast Du vor noch weiter zu kommen? Gern würde ich mich auf das Tätowieren von realen Motiven wie z.B. von Statuen etc. spezialisieren. Dann habe ich vor drei Jahren angefangen Skulpturen zu modellieren. Das würde ich gern noch weiter ausbauen und gern auch in einer Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich machen. • Ich habe Dich vor allem deswegen besucht, weil mich Deine Statuen und deine wunderschönen Gemälde beeindruckt haben. Eigentlich wollte ich mit Dir ein Interview zu diesem Thema durchführen. Ich bin ehrlich, Tätowierung mag ich nicht besonders, aber das ist eine Sache der persönlichen Ansicht. Jetzt stelle ich plötzlich fest dass das Thema Tätowierung das Wichtigste in unserem Gespräch geworden ist. Gestatte mir daher uns für eine Weile Deinem – und auch meinem Interessengebiet zu widmen – der Bildhauerei. Auf den ersten Blick sehen Deine Statuen wie aus Holz aus – aber sie sind es nicht. Welches Material ist es und wie werden sie gemacht? Da ist eine spezielle Modelliermasse für das entwerfen von Autos (Prototypen) diese Masse wird nicht hart und man kann sie ständig bearbeiten und verändern. • Ich weiß auch, dass Du früher auch Entwürfe für Teile von Autokarosserien bei Ford gemacht hast. Wie bist Du dazu gekommen? Ich wollte unbedingt von der Fließbandarbeit weg. Ich hatte aber Bedenken, dass man mich von diesem Fließband nicht weglässt, weil ich zu fleißig war, Mehrfach bewarb ich mich bei Ford auf eine entsprechende Stelle und hoffte diese zu bekommen. Leider jedoch mehrfach ohne Erfolg. Erst nachdem ich eines Tages eine Karikatur für mein Chef anfertigte und diese ihm so gut gefiel, lud er mich zu diesem Einstellungstest erneut ein. Ich sollte einen Autoaußenspiegel modellieren. Das war der Schlüssel zu meinem Erfolg! • In deinen Statuen findet man vorzugsweise Frauen mit üppigen Formen. Ist es Deine künstlerische Ansicht, dass durch volle Formen die Schönheit des Frauenkörpers besser zur Geltung kommt, wie es früher zum Beispiel im Barock gewesen ist? Deine Meinung interessiert mich sehr. Viele Leute malen schöne Dinge oder modellieren schöne schlanke Frauen. Ich möchte das wahre Leben zeigen...... Ecken und Kanten, dicke und alte Menschen. Auch diese Seiten des Lebens gehören zum Leben. • In Deiner Kindheit hast Du sicherlich Träume über deine Zukunft und darüber was Du als Erwachsener werden willst. Kannst Du mir verraten was Du damals wolltest? Ich wollte als Kind immer Sportler werden, in unserem Land gab es einfach keine Zeit für Träume .Das war mein einziger Kindheitstraum. • Welche Bildhauer und Maler aus Asien hast Du gerne? Ich kenne mich in der Kunstszene dort nicht aus. Deswegen kann ich keinen nennen. Für mich hat das Wort Künstler eine sehr hohe Bedeutung. Ich fühle mich nicht wie ein Künstler, sondern eher wie ein Arbeiter. Dinge, wie malen, tätowieren und der Skulpturen modellieren sind für mich ein Hobby. • Du hast eine ältere Schwester Lieu die inzwischen 52 Jahre alt geworden ist, aber immer noch als Besitzerin eines erfolgreichen Restaurants in Zentrum von Köln tätig ist. Du hast außer Deinem Studio im Turm vom altem Walzwerk in den anliegenden Räumen auch ein Restaurant aufgebaut. Jetzt ist es außer Betrieb. Warum?In dieses Restaurant hatten mein Partner und ich viel Arbeit und Energie gesteckt. Ca. 1 1/2 Jahre brauchten wir für den Umbau. Aber leider mussten wir aufgrund von Streitereien in den letzten Jahren getrennte Wege gehen. • Du hast noch weitere acht Geschwister – drei davon leben in Amerika, die anderen fünf hier in Deutschland. Sind sie alle auch so unternehmerisch, was machen sie? Meine Geschwister sind im Grunde genommen alle erfolgreich. Aufgrund dessen, dass meine Geschwister zum Teil älter sind, konnten sie sich aber nicht so verwirklichen wie ich. Aber dafür sind die Kinder meiner Geschwister in Amerika alle erfolgreich. Zum Beispiel einer meiner Neffen ist ein erfolgreicher Immobilienmakler in der Nähe von St. Franzisco. • Zum Abschluss habe ich noch eine besondere Frage. Darf ich? Es ist mir aufgefallen dass Du auf jedem Fuß eine andersfarbige Socke hast - eine weiß, eine schwarz. Ist es deswegen weil Du dich am Morgen beim Anziehen verirrt hast oder ist es ein religiöses Zeichen oder durch Deinen mit Humor beladenen Charakter begründeter Gag? Ich möchte auffallen und nicht so langweilig durch das Leben laufen. Das Leben ist schon hart genug. Meine Philosophie ist Gesundheit und glücklich zu sein!!!! Lieber Dat, ich danke Dir sehr herzlich für das Gespräch. Gestatte mir Dir in meinem und auch Im Namen der Redaktion von Pozitivni Noviny noch viele Jahre schöpferische Inspiration, gute Gesundheit und Deinen nie erloschenen Sinn für Humor zu wünschen. |
Copyright © Václav a Michal Židek, archív Data Vuonga,
Tento článek byl v Pozitivních novinách poprvé publikován 16. 02. 2009.
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